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Schachfreunde Deizisau e.V.

Schachbundesliga: Tabellenzweiter - Zwei Kantersiege beim Heimspiel

(von IM Frank Zeller) 

Zu einem sportlichen Erfolg für das Bundesligateam der Schachfreunde geriet das erste und einzige Heimspiel in dieser Saison: gegen die bayerischen Gäste aus Augsburg und München gewannen die gutaufgelegten Gastgeber mit vernichtenden 7,5:0,5-Resultaten. Zweimal entkamen die Gegner nur knapp einem zu Null-Debakel. 
Verblüffend war, dass Deizisau dabei deutlich mehr Brettpunkte einheimste als Reisepartner Baden-Baden. Der kam gegen die gleiche Gegnerschaft nicht über ein 5,5:2,5 und ein 6:2 hinaus, wobei in allen vier Wettkämpfen die Mannschaftssiege der Favoriten nie wirklich in Frage standen und es somit etwas an Dramatik mangelte. Nichtsdestotrotz sah man in der Mensa der Gesamtschule Deizisau spektakuläre Partien und großartige Leistungen der angereisten hochrangigen Belegschaft. Baden-Baden und Deizisau waren durch die Bank hinweg mit namhaften Großmeistern bestückt, was auch für Publikumsinteresse in der kleinen Gemeinde am Neckar sorgte. Die Mensa der Gemeinschaftsschule gab einen angenehmen Rahmen,  den Anwesenden wurden neben den Schachstars auch noch Verköstigung und eine Livekommentierung der Partien angeboten – dabei, wie es in der Schachbundesliga üblich ist, zum freien Eintritt. Eine gute Möglichkeit, mal Weltstars wie Richard Rapport, Arkadij Naiditsch, Etienne Bacrot - um nur einige Beispiel zu nennen - mal in der Region „Echt“ sehen zu können.

Dafür fehlten diesmal die größten „Zugpferde“ im Team Deizisau: Das Duo Peter Leko/Vincent Keymer ist anderweitig unterwegs. Der vor kurzem 14 Jahre alt gewordene Vincent will nochmal im ausgehenden Jahr versuchen, seine letzte GM-Norm unter Dach und Fach zu bringen. Er tritt beim Open von Sitges, südlich von Barcelona am Meer gelegen, an.  Der Teamstärke schien dies keinen Abbruch zu tun, die Vorstellungen waren überzeugend.  
Am Samstag gegen Zugzwang München gab nur Matthias Blübaum am Spitzenbrett einen halben Punkt ab. Mit Schwarz spielte der 21-jährige gegen den zwei Jahre älteren Großmeister Leon Mons von Beginn an originell und ambitioniert, dabei durchaus auch riskant. Letztlich blieb der Kampf Läufer gegen Springer im Endspiel ausgeglichen. 
Georg Meier landete einen souveränen Sieg an Brett 2 gegen Routinier Stefan Kindermann. Der blieb seiner Lieblingswaffe, dem Leningrader System im Holländer, treu, allerdings griff Georgs Vorbereitung. Der Nationalspieler erlangte am Damenflügel rasch Fortschritte. Als Kindermann im 16 Zug bereits seinen wichtigen Fianchettoläufer abgeben musste und mit schwarzfeldrigen Löchern zurückblieb, war evident, dass da was schief gelaufen war. 
Ebenfalls einen schnellen Angriffssieg landete Dmitrij Kollars, der seinen Turm gewinnbringend über die dritte Reihe zum Königsangriff schwenken konnte (29.Ta3-g3), was die gegnerische Aufgabe erzwang.
Vier Endspielsiege gelangen Alexander Donchenko, Andreas Heimann, Rustem Dautov und Alexander Graf, die ihre Gegner langsam überspielten. 
Die Entscheidung war schon längst gefallen, da tobte noch die spannendste Partie der Runde an Brett 3 zwischen dem bayerischen Urgestein Gerald Hertneck und dem für Deizisau spielenden gebürtigen Russen Michal Krasenkow. Auch hier hatte Michal mit Schwarz riskant eröffnet. In der Noteboom-Variante im Damengambit überließ er seinem Gegner das Zentrum und dadurch den Angriff auf seinen König, während er auf seine Freibauern am Damenflügel setzte. Die Partie war völlig wild, zunächst sah es so aus, als würde Hertneck im Angriff gewinnen, doch Michal wehrte mit starker Verteidigungsarbeit die Drohungen ab, und kam zum Konterangriff. Letztlich war es Hertnecks König, der von den gegnerischen Schwerfiguren zuerst aufgerieben wurde.  

Am Tag darauf wieder das gleiche Bild: Deizisauer in Spiellaune fielen über die Augsburger her. Dabei ließen die ersten Momentaufnahmen eher eine enge Kiste erwarten. Zunächst gab es Grund zur Besorgnis: Georg kam in der Abtauschvariante des Franzosen mit Schwarz in der Entwicklung ins Hintertreffen und musste schließlich …Ke8-f8 ziehen, seinen Turm im Eck auf h8 im Stick lassend, während Weiß seine Figuren zentralisierte.  Doch sein Gegenüber, der serbische Großmeister Nestorovic, schien seine optisch ansprechende Stellung zu überschätzen: ungestüm opferte er einen Springer, was Georg wenige Züge später mit …Se7-g8 parierte. Irgendwas muss Weiß übersehen haben, der Angriff versandete bald, die Minusfigur blieb. 
Noch gefährdeter die Position von Alexander Donchenko. Seinem Gegner standen einige Angriffszüge und Opfermöglichkeiten zur Verfügung, ein Blick auf die Engine bestätigte den Eindruck, dass da was Durchdringendes in der Luft lag: Stockfish lässt den Balken bereits über die 4,00-Grenze ausschlagen – klare Gewinnstellung für Weiß! Doch die Gewinnvariante war schwer zu entdecken, es hätte zunächst ein Qualitätsopfer, dann ein, zwei Verstärkungszüge sowie weitere Figurenopfer erfordert. Hätte sein Gegner, der serbische IM Stankovic, dies gefunden, hätte er wahrscheinlich DIE Partie der Saison spielen können – allein, er fand es nicht, sondern entschied sich letztlich für eine sichere Zugwiederholung und war mit dem Remis gegen den Elobesseren zufrieden.  Schade drum, Glück für Deizisau andrerseits! 
Dann hagelte es die Punkte: Krasenkow vertraute offenkundig wieder seiner Strategie vom Vortrag. Im komplizierten Mittelspiel setzte er alles auf zwei verbundene Freibauern am Damenflügel, während sein Gegner ein wuchtiges Bauernzentrum mit potentiell drei verbundenen Freibauern erhielt. Doch die schwarzen Figuren waren zu sehr gebunden, die schwarze Königsstellung geschwächt, und jeder Zug der Zentralbauern schwächte die Stellung noch mehr, was Michal zur Attacke auf den gegnerischen Monarchen ausnutzen konnte – zwei Siege in hochkomplizierten, sehr unterhaltsamen Partien war die Ausbeute des in Polen lebenden Profis, der noch vor einigen Jahren zur Weltspitze zählte. 
Solide besiegten Dautov und Graf ihre zahlenmäßig deutlich unterlegene Gegnerschaft an den hinteren Brettern, Dmitrij hatte bereits kampflos gewonnen. Auch Andreas H. verwandelte souverän gegen GM Schmittdiel, der vor geraumer Zeit mal im Ländle gelebt und bei Stuttgart in der Bundesliga gespielt hat.
Überstunden machte schließlich noch Matthias am Spitzenbrett, der unbedingt seinen Mehrbauern verwerten wollte. Doch 3 gegen 2  Bauern an einem Flügel gelten in der Regel als Remis. Der andauernde Druck, den Matthias ausübte, setzte Gegner Prusikin jedoch stark zu. Ein paar Ungenauigkeiten ergaben sich, schließlich lenkte Matthias gekonnt in ein Turmendspiel mit 2 gegen 1-Bauern ein, das er mit exaktem Spiel nach knapp 100 Zügen noch gewinnen konnte. 
Damit macht die Bundesliga erst mal eine Weihnachtspause. Deizisau kann als Zweitplatzierter überwintern und gespannt den Duellen gegen die Spitzenmannschaften entgegenblicken. Anfang Februar geht die Saison wieder weiter.  

Partien zum Nachspielen:
https://schachbundesliga.de/liveportal 

Impressionen 

Umlagerte Bretter in der Deizisauer Schulmensa

 

 Autor und Kommentator vor Ort IM Frank Zeller bei der Arbeit