Deizisau II gastierte am Wochenende beim Spitzenreiter der Oberliga, dem SC Böblingen. Mit einem Heimsieg hätte Böblingen dem Ziel, Aufstieg, einen großen Schritt näher kommen können. Anderseits war es für uns die letzte Chance, nach „oben“ noch ein Wörtchen mitreden zu können – wenn schon nicht aufsteigen (unrealistisch), dann zumindest die Entscheidung um den Ligasieg mitgestalten.

Und genau das gelang uns: nach hartem, über 5-stündigem Kampf mit vielen inhaltsreichen Partien trennten sich zwei ausgeglichene Teams mit 4:4. Ein ordentliches und letztlich für beide befriedigendes Ergebnis – aber unter uns: wir waren meines Erachtens näher am Sieg, konnten an einigen Brettern die Chancen nicht ausnutzen. Von daher: ein bisschen schade!

Böblingen musste nach Brettpunkten die Stuttgarter Schachfreunde an sich vorbeiziehen lassen.

 

(von IM Frank Zeller)

Nominell waren die Teams in etwa ausgeglichen. Böblingen musste auf Spitzenmann Gähwiler verzichten. Der junge Schweizer weilte noch am Vortag beim starkbesetzten Open in Lienz (was ich nicht wusste!) und schaffte es nicht rechtzeitig ins schwäbische Böblingen. Dafür hatten die Hausherren die Nummern 2-9 aus dem Kader an die Bretter geholt und somit ein sehr ausgewogenes Team aufgeboten, was sich vor allem an einem Übergewicht an den hinteren Brettern niederschlug.

Auch unser Achter war ordentlich und kampferprobt – zu unserem mittlerweile eingespielten Stammteam gesellte sich mit Fiona Steil-Antoni internationale Prominenz: Fiona ist den Schachfans, die gerne Live-übertragungen von Turnieren im Internet verfolgen, sehr bekannt. Die Luxemburgerin, die mehrere Sprachen fließend spricht, reist als Kommentatorin, Fotografin, Organisatorin und Social- Media-Expertin rund um die Welt. Etwas „zufällig“ landete sie dabei in Böblingen, als letzte Station einer mehrwöchigen Reise, bevor sie abends endlich wieder nach Hause kommen wollte.

Sie hatte ein ziemlich hartes Tagesgeschäft zu absolvieren: Ihre Partie war so ziemlich die letzte, dabei musste sie stundenlang eine schwierige Stellung verteidigen, was ihr zum Glück auch gelang. Anschließend musste sie die 6-stündige Reise in ihre Heimat zurücklegen, bevor die als „Fionchetta“ bekannte Bloggerin  kurz vor Mitternacht dann auch noch einen Livestream, lang wie eine Fußballpartie, für ihre Follower auf Youtube absolvierte.

Doch der Reihe nach: zunächst endete Ortmann – Foisor. Der Böblinger hatte bei vollem Brett in einer typisch königsindischen Stellung remis angeboten, was Ovidiu nicht ablehnen wollte. Beider Initiativen war festgefahren, die Dynamik im Gleichgewicht. Ovidiu sah sich bei seinen Kollegen um, und zu diesem Zeitpunkt sah es durchaus gut für uns aus. Freilich hätte man da noch weiterspielen können, aber es sprach auch nichts gegen die Einigung auf den halben Punkt.

In der Zeitnotphase ging es an allen Brettern zur Sache. Leider kippten hier die Bretter 7 und 8 auf die Seite der Gastgeber, was insbesondere bei Alex Rempeli schade war. Der stand zwischendurch überlegen, opferte dann sehr interessant die Qualität auf Position, verlor allerdings in der Zeitnot den Überblick.

Markus Brenner stand in seinem Igel immer etwas gedrückt, hatte aber mit interessantem Spiel auch seine Gegenchancen kreiert. Auch ihm wurde die Zeitnot zum Verhängnis, als er einen Zug des Gegners übersah.

Ich ärgerte mich zunächst auch darüber, dass meine eigene Partie in der Zeitnotphase nur ins Remis mündete, wähnte ich mich doch über die gesamte Partie im Vorteil; selbst auf der Uhr hatte ich meist mehr „Minutenvorrat“ aufzuweisen. Aus der Eröffnung heraus übernahm ich das Kommando und lenkte mit Weiß gegen den Mc-Cutcheon-Franzosen meines Gegners in ein gewinnträchtiges Endspiel ab. Doch nachdem ich zwei-, dreimal nur den Zweitbesten spielte, gelang es meinem Gegner, die Figuren zu aktivieren. Zudem erwies sich sein Springer als wendiger, nachdem ich einen meiner geliebten Läufer tauschen musste. Remis war okay, fast hätte ich noch den Zeitpunkt verpasst, auf Remis umzuschalten…

Am souveränsten agierte diesmal Valerij Bronznik. Aus der Eröffnung heraus sicherte er sich einen Strukturvorteil, vergrößerte den, bekam Stützpunkte auf der sechsten Reihe und holte sich vor der Zeitkontrolle noch den vollen Punkt. Überzeugend von Valerij!

Am spannendsten verliefen die Partien an den Brettern 3 und 4. Schon die Eröffnung bei Vujic – Fischer war derart ungewöhnlich, dass eine verückte Partie vorprogrammiert war: 1.d4 f5 2.g4!? d5 3.g5!?

Zwischendurch wollte mir Sebastians Stellung nicht so recht gefallen, aber ein paar Züge später war plötzlich alles bei ihm koordiniert, seine Bauernphalanx auf e5 und f5 dominierte das Brett, die Schwerfiguren dahinter, und der weit vorgerückte Bauer auf g5 war spätestens dann vom Rest der weißen Stellung isoliert. Hier erwartete ich einen Sieg unseres Mannes. In der Zeitnot gingen dann wieder die Dinge durcheinander, letztlich endete die Partie mit Remis, und es blieb doch das Gefühl, dass da mehr für Sebastian und uns drin gewesen wäre.

Noch verrückter das Geschehen bei Robert Dabo-Peranic. Unser Neuzugang, der ein begnadeter Angriffsspieler ist, steckte zwischendurch einen Bauern ins Geschäft, um Angriffschancen zu bekommen. Später lehnte er in unübersichtlicher Stellung das Remis ab, opferte zudem noch die Qualität, um alles auf seine potentiellen Freibauern zu setzen. Das war enorm viel Risiko, vogelwild, und es hätte auch schiefgehen können. Doch letztlich setzte sich die visionäre Kraft Roberts durch. Am Ende erlaubte sein Gegner noch das wunderhübsche Matt: Schwarz holte sich auf der Grundreihe eine Dame und hatte für den Moment Dame und Qualität mehr, aber Matt geht vor!

Ein schöner Sieg, der zumindest das Mannschaftsunentschieden sicherte (nebenbei hatte Fiona ihre Partie zum Remis geführt, in der sie größtenteils passiv ums Remis kämpfen musste), und dem risikobereiten Robert zu vergönnen war – stimmt, eigentlich hat er doch die größten Strapazen zu überwinden, sein Rückweg mit dem Flixbus bis nach Kroatien die ganze Nacht durch dauerte doch noch einiges länger als Fionas Zugfahrt nach Luxemburg!

Links:

Livestream Fionchetta https://www.youtube.com/watch?v=pZmDyR6AkCM

Ergebnisse Oberliga, Runde 7: https://ergebnisse.svw.info/show/2018/2305/runde/7/

Roberts Matt:

  1. Dabo-Peranic - Thanh Kien Tran