Europapokalsieger 2021 (v.l.n.r.): Matthias Blübaum, Dmitrij Kollars, Georg Meier, Vincent Keymer, Alexander Donchenko und Andreas Heimann von den Schachfreunden Deizisau e.V. Grafik: Franz Jittenmeier
Unser Team, besetzt aus unseren jungen deutschen Topspielern, gewann heute nach insgesamt 23 Runden sensationell den an jeweils vier Brettern ausgetragenen erstmals online durchgeführten Europapokal der Vereinsmannschaften. Glückwunsch an Matthias Blübaum, Alexander Donchenko, Georg Meier, Andreas Heimann, Vincent Keymer und Dmitrij Kollars sowie Teamchef Sven Noppes.
Meldeschluss für den Europapokal war der 19. März 2021. Danach waren die Meldelisten sichtbar und wir fanden uns an Platz zehn gesetzt wieder. Im Vorfeld hatten wir unserem Leitbild folgend, Deutsche Nachwuchsspieler zu fördern und diesen gute Spielmöglichkeiten zu geben, aus unserem Team die sechs Spieler nominniert, die auch auf der Kaderliste des Deutschen Schachbundes stehen und den Großmeistertitel tragen:
- Matthias Blübaum, mit 2670 ELO aktuelle Nummer 1 in Deutschland, 23 Jahre
- Alexander Donchenko, aktuell 2659 ELO und ebenfalls 23 Jahre streitet sich seit Monaten mit Matthias um den Spitzenplatz der deutschen Rangliste
- Georg Meier, Mannschaftseuropameister 2011 ist mit 33 Jahren der Senior im Team, aktuelle ELO 2628
- Andreas Heimann, 29jähriger Mathematikstudent, aktuelle ELO 2606
- Vincent Keymer, 16 Jahre und damit Deutschland jüngster Großmeister, aktuelle ELO 2591
- Dmitrij Kollars, 21 Jahre, gewann erst vor wenigen Wochen das Großmeisterturnier beim SV Werder Bremen, aktuelle ELO 2598
Das sehr junge Team, das auch gut als Deutsche Nationalmannschaft an den Start gehen konnte wollte min. die neunrundige Vorrunde am Samstag und Sonntag überleben.
Der schnellere Turniermodus von 15 Minuten Grundbedenkzeit plus 5 Sekunden pro Zug für jeden Spieler sollte dabei unseren Jungs entgegen kommen, dachten wir. Dem gegenüber stand, dass wir die Vorrunde noch ohne Georg Meier absolvieren mussten. Nur die ersten beiden Teams jeder der insgeamt neun Gruppen mit jeweils zehn Teams qualifizierten sich für die Zwischenrunden, die dann in drei Gruppen gespielt wurde.
In unserer Vorrundengruppe "C" waren wir nach dem russischen Topteam Mednyi Vsadnik an Nummer zwei gesetzt. Nach einem 4:0 Sieg in der ersten Runde gegen das luxemburgische Team "Le Cavalier Differdange" mussten wir gleich gegen Mednyi Vsadnik ran und unterlagen mit 1:3. Danach war der Druck immer hoch, da jede weitere Niederlage schon das Aus hätte bedeuten können. Wichtig war der knappe Sieg in der vierten Runde gegen das tchechische Topteam "Cesky Lev", den direkten Konkurrenten um Platz zwei in der Gruppe. Matchwinner war hier unser Spitzenbrett Matthias Blübaum. Sein Sieg bei drei Remisen seiner Mannschaftskamaraden sorgten für das Endergebnis von 2,5:1,5. Das folgende 2:2 gegen die Spanier von "Gijon64" zu Beginn des zweiten Tages war ein Wecksignal zur richtigen Zeit. Vier entschiedene Partien. Matthias Blübaum und Dmitrij Kollars punkteten für Deizisau voll. Es folgten vier Runden mit jeweils deutlichen Erfolgen, das. 3:1 gegen SV Werder Bremen las sich noch als engstes Match. Der zweite Platz in Guppe "C" war unserer. Das Ziel war erreicht, nun konte der "Bonus" kommen.
Kreuztabelle der Vorrunde Gruppe C...
Tabelle mit den Einzelergebnissen der Spieler in der Vorrunde Gruppe C...
Ab der Zwischenrunde am Montag wurde das Team von Georg Meier verstäkrt. Mit dem 2:2 gegen das an Nummer zwei gesetzte tschechische Topteam Novy Bor deutete das Team erstmals an, dass es mit jede Team an einem guten Tag mithalten kann. Nach einem sicheren 3:1 gegen Tehsil Idman verlor man in der dritten Runde allerdings gegen das an Nummer fünf gesetzte Team Odlar Yurdu aus Aserbaidschan. Vor den letzten zwei Runden war also noch alles offen. Nach einem 3:1 gegen C'Chartres Echecs A aus Frankreich durfte in der letzten Runde nicht hoch verloren werden. Das ukrainische TeamGreco-Notary Chess Team war in der Setzliste nach Weltranglistenzahlen zwei Plätze vor uns auf Platz acht gesetzt. In diesem alles oder nichts Spiel bewiesen unsere zwei Jüngsten Nervenstärke. Vincent Keymer und Dmitrij Kollars erzielten volle Punkte und sicherten damit den 2,5:1,5 Erfolg und die Qualifikation für das Finalturnier der zehn stärksten Mannschaften Europas. Ein Traum wurde war. Die zwei folgenden Tage wollten wir in stärkster Konkurrenz einfach nur genießen.
Kreuztabelle der Zwischenrunde B...
Tabelle mit den Einzelergebnissen der Spieler in der Zwischenrunde Gruppe B...
Bei den Finaltagen mussten die Spieler nicht nur mit Frontkamera wie in den Tagen zuvor sondern mit einer "Side-Kamera" spielen. Damit wurde das Betrugsrisiko beim Onlineevent nochmals minimiert. Dmitrij Kollars musste bei uns erstmal noch vorab in technischen Equipment investieren. Nun durfte es zum Einsatz kommen. Der Dienstag, erster Finaltag, begann gleich mit einem Paukenschlag. Wir konnten mit 4NCL Guildford aus England einen der Topfavoriten knapp mit 2,5:1,5 schlagen. Matchwinner war Georg Meier, der Luke McShane besiegt. Die drei weiteren Partien endeten Remis. Was für ein Start! Eine Runde später musste man wieder gegen Novy Bor antreten. Inzwischen galt das Team als absoluter Mitfavorit. Gelang in der Zwischenrunde noch ein 2:2 musste nun eine 1,5:2,5 Niederlage quitiert werden. Novy Bor war an jedem Brett nach ELO stärker als wir besetzt. Kein Beinbruch einfach weiter machen, war das Motto. Was zu diesem Zeitpunkt keiner ahnte, es war unsere letzte Niederlage. In der nächsten Runde folgte nochmals Odlar Yurdu, das Team das uns in der Zwischenrunde deutlich besiegt hatte. Es sah wieder nicht gut aus, bis der ehemalige Weltranglistenzweite Shakhriyar Mamedyarov (AZE) gegen Matthias Blübaum die Dame einstellte. Da wir an allen anderen Brettern das Remis halten konnten siegten wir mit 2,5:1,5. Mit diesem etwas überraschenden Glücksgefühl gingen wir in das nächste Topmatch gegen Clichy Echecs 92 aus Frankreich. Auch hier waren wir von der Papierform nach ELO-Zahlen an jedem Brett unterlegen. Aber die Wahrheit liegt auf dem Brett und da stand am Ende des ersten Turniertages ein 2,5:1,5 Erfolg für Deizisau. Alexander Donchenko und Vincent Keymer holten die vollen Punkte bei einem Remis von Georg Meier. Wer am Turnierende auf die Tabelle schaut sieht, dass dies die Punkte waren die am Ende zwischen Platz 1 und 2 den Unterschied machten aber das wusste hier noch keiner. Mit dem Wissen einen fantastischen ersten Tag gespielt zu haben konnte man gut schlafen gehen. An mehr als ein gutes Turnier dachte noch keiner. Der letzte Tag starte mit einem knappen Pflichtsieg gegen das Frauenteam von Monte Carlo. Georg Meier brachte uns hier auf die Siegerstraße und zementierte uns damit in der oberen Tabellenhälfte fest. Danach stellten wir uns dem russische Topteam Mednyi Vsadnik in den Weg. Sie wollten Gold und waren an jedem Brett im Match gegen uns Favorit. Doch in diesem harten Match siegten jeweils alle Weißspieler. Alexander Donchenko und Vincent Keymer sicherten uns ein 2:2. Damit hielten wir das Team weiter hinter uns. Es blieb keine Zeit sich zu erholen. Mit den Poland Hussars folgte das Team, dass in der ursprünglichen Setzliste direkt vor uns platziert war. Wieder ein enges nervenaufreibendes Duell. Aber unsere zwei besten an den Finaltagen Georg Meier und Vincent Keymer besiegten ihre Gegner und brachten uns bei einem Remis von Alexander Donchenko wieder auf die magischen 2,5 Punkte. Zwei Runden vor Schluss lag man damit ganz vorne und das träumen konnte beginnen. Gefährlich. Insbesondere da nun das innerdeutsche Duell gegen den über sich hinaus wachsenden Hamburger SK anstand. Nun waren wir Favorit und konnten auf einmal sehr viel verlieren. Und es war ein Match, dass einen schnell altern lies, aber wieder war es Georg Meier der mit seinem fünften Punkt in seinem sechsten Spiel in der Finalrunde die Kohlen aus dem Feuer holte und noch ein 2:2 sicherte. Trotz dieses Unentschiedens standen wir vor der Schlussrunde auf einmal mit einem Mannschaftspunkt Vorsprung auf Platz 1. Durch unsere sehr knappen Ergebnisse hatten wir allerdings kein gutes Brettpunkteverhältnis. Wir hatten es also in der eigenen Hand eine Sensation zu schaffen aber das letzte was mach sich dann wünscht, ist ein russisches Spitzenteam in der letzten Runde. War den Spielern gerade schon klar, welcher Film hier gerade ablief? Unsere Punktemaschine Georg Meier war vor der letzten Runde völlig erschöpft. Er hatte alles für das Team gegeben und sah sich für eine weitere Partie nicht gerüstet. Zwölf Minuten vor Rundenbeginn änderte Teamkapitän daraufhin nochmals die bereits gemeldete Aufstellung. Er gab Vincent Keymer das Signal, dass er statt mit den weißen nun mit den schwarzen Farben in den letzten Kampf gehen musste und sagte zum sichtlich überraschenten Dmitrij Kollars "Du spielst! Gib Gas!". Es folgte eine triumphale letzte Runde wo Dmitrij Kollars überzeugend gewann und es nach einem Remis von Alexander Donchenko Vincent Keymer überlassen blieb mit einem weiteren vollen Punkt den sensationellen Europapokalsieg für die Schachfreunde Deizisau zu sichern. Unfassbar. Ganz Schacheuropa rieb sich vermutlich an den Bildschirmen bei den weltweit zahlreichen Liveübertragungen verwundert die Augen. Deizisau ist zwar in Europa durch die über zwei Jahrzehnte lang erfolgte Ausrichtung des Int. Neckar-Opens kein unbekanntes Fleckchenk Erde, ganz im Gegenteil, aber mit diesem Erfolg bei der allerersten Europapokalteilnahme hat sicher keiner gerechnet. Glückwunsch an das ganze Team!
Kreuztabelle des Finalturniers des Europapokals 2021...
Tabelle mit den Einzelergebnissen der Spieler des Finalturniers des Europapokals 2021...
Zoom-Call zur Siegerehrung und Online-Feier (v.l. oben n.r. unten) Teamchef Sven Noppes, Vincent Keymer, Alexander Donchenko, Dmitrij Kollars, Andreas Heimann, Georg Meier und Matthias Blübaum.
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