Die ersten 47 Jahre…
von Karlheinz Eisenhardt
Der Geburtstag unseres Vereins ist der 11. März 1948, als immerhin schon 17 Liebhaber des Königlichen Spiels im Gasthaus “zur Linde” den Deizisauer Schachverein gründeten und ihm den Namen „Schachfreunde“ gaben. Die drei Initiatoren waren Friseur-meister Albert Bantel, der in seinem Salon unermüdlich für den neuen Verein geworben hatte, Lindenwirt Ferdinand Bantel, der uns die nötige Unterkunft in den ersten Jahren in seinem Lokal gab, und schließlich der neugewählte 1. Vor-sitzende Wenzel Wiesner, der als Heimatvertriebener aus dem Sudetenland in Deizisau gelandet war - ein Glücksfall für uns, denn er besaß das schachliche Können und auch das organisatorische Geschick zur Führung des Vereins in den schwierigen ersten „Lebensjahren“. Er führte den Verein mehr als 20 Jahre lang vorbildlich und bestimmte die Entwicklung maßgeblich, ebenso wie seine Nachfolger.
Die Vereinsgründung erfolgte noch in der schweren Zeit der Lebensmittelbewirtschaftung. In den Gasthäusern gab es auch für „Marken“ kaum etwas zum Essen und nur dünnes Bier zum Trinken. Wie froh waren wir, wenn unser Gastgeber Ferdinand Bantel hin und wieder ein Gläschen Wein oder ein kleines Vesper für seine Schachspieler auftreiben konnte.
Nach der Währungsreform Mitte 1948 wurde es zwar langsam besser, dafür war aber das Geld überall sehr knapp. Anfangs mußten die Mitglieder ihre eigenen Schachbretter und -figuren zum Spielabend mitbringen, denn der neue Verein besaß nichts. Die Anschaffung vereinseigener Schachspiele und vor allem Schachuhren war das erste und wichtigste Ziel. Zuschüsse der Gemeinde oder von Verbänden oder gar Sponsorengelder gab es noch nicht. Mit großen Anstrengungen, z.B. durch Spenden und Beitragsvorauszahlungen, gelang es nach und nach, einen Bestand an Spielen und Uhren zu erwerben, den dann unser Materialwart Willi Schurr dementsprechend sorgsam hegte und pflegte. Als Kuriosum kann hier das „Schachtoto“ genannt werden, das ab 1951 zur Aufbesserung der Finanzen eingeführt wurde. Der Ausgang der Partien der Vereinsmeisterschaft konnte mit einem Einsatz von 10 Pfennigen je Reihe getippt werden. Kleine Gewinne wurden ausgesetzt, die Hälfte der Einnahmen floß aber in die Vereinskasse. Der Kassier war deshalb neben dem 1.Vorsitzenden der wichtigste Funktionär im Verein. Um so erstaunlicher ist es, daß wir in den ver-gangenen 50 Jahren mit nur 2 Kassierern ausgekommen sind (abgesehen von einer kurzen Unterbrechung 1990/91). Beide sorgten mit der gebotenen Sorgfalt und Sparsamkeit stets für geordnete Kassenverhältnis-se im Verein. Die jüngeren Mitglieder hoffen aber, daß die Entwicklung in den kommenden 50 Jahren eine etwas großzügigere Kassen-führung erlaubt.
Trotz der widrigen Umstände im Gründungsjahr 1948 gingen die Mitglieder voller Eifer und Optimismus daran, den neuen Verein zu stabilisieren und voranzubringen. Im Vordergrund stand zunächst das gegenseitige Kräftemessen bei den wöchentlichen Spielabenden, galt es doch, die Rangfolge für die Aufstellung einer Mannschaft festzustellen. Dazu wurde auch alljährlich eine Vereinsmeisterschaft ausgespielt. Erster Vereinsmeister wurde Wenzel Wiesner, der „Schachkönig“ von Deizisau, wie er in der Umgebung genannt wurde. Anfangs fast unschlagbar, wurde er schon 1950 vom damaligen Jugendspieler Franz Escher entthront, dem talentiertesten und erfolgreichsten Schachkönner, der aus unserem Verein hervorgegangen ist. Die Vereinsmeister sind in aller Regel auch die Spitzenspieler unserer 1. Mannschaft. Sie sind maßgebend für die Spielstärke im Verein.
Ein weiterer Schwerpunkt im Vereinsleben waren von Anfang an die Mannschaftswettkämpfe. Ein erstes Freundschaftsspiel gegen Wernau noch im März 1948 konnte zwar gewonnen werden. In den Pflichtspielen mußte unsere Mannschaft aber in der untersten Klasse anfangen. Im Jahre 1950 gelang erstmals ein Aufstieg in die A-Klasse, später auch in die Kreisklasse.
Einen ersten Höhepunkt brachte das Jahr 1957: Deizisau wurde Kreismeister und stieg in die Bezirksklasse auf. Höher hinauf sind wir auch später nie gekommen. Auch sonst ging es in den ersten 10 Jahren der Vereinsgeschichte gut voran.
Ab 1950 wurden Blitzturniere im Verein ausgetragen. 1. Blitzmeister wurde Franz Escher.
Im Jahre 1952 konnte eine Jugendmannschaft gebildet werden die im gleichen Jahr sogar die Bezirksjugendmeisterschaft errang. Erster Vereinsjugendmeister wurde Paul Schüle.
Der Versuch mit einer Deizisauer Ortsmeisterschaft verlief 1952 eigentlich ganz gut (sogar Bürgermeister Ertinger spielte mit), wurde aber wieder aufgegeben, da die erhofften zusätzlichen Mitglieder nicht für unseren Verein gewonnen werden konnten.
Das zweite Jahrzehnt der Vereinsgeschichte war geprägt durch den mehrfachen Abstieg unserer Mannschaft in die Kreisklasse (1959, 1962, 1965) und den jeweils gefeierten Wiederaufstieg in die Bezirksklasse (1957, 1960, 1963). Ab 1965 blieben wir dann in der Kreisklasse.
Im Jahre 1959 bestritten wir unseren ersten und einzigen Fernschach-Wettkampf gegen eine Mannschaft aus Staßfurt (damalige DDR), der ohne Endergebnis auslief, als die Partner aus dem Osten keine Antwort mehr gaben.
Ein wichtiger Schritt war im Jahre 1961 die Verlegung des wöchentlichen Spielabends von Donnerstag auf Freitag. Der arbeitsfreie Samstag setzte sich mehr und mehr durch. Die Schachspieler hofften deshalb, am Freitagabend länger am Brett sitzen bleiben und am Samstag „ausschlafen“ zu können.
Anfang der Sechziger Jahre begann auch der Ärger mit unseren Spiellokalen, der viele Jahre lang anhielt. Nachdem unser Gründungsmitglied Ferdinand Bantel sein Gasthaus “zur Linde” verpachtet hatte, waren wir dort nicht mehr gern gesehen. Zum Teil wurden wir im Winter in ungeheizte Räume gesetzt. Nach einem Versuch im „Lamm“ wechselten wir schließlich 1961 ins Café CADO über. Dort fanden wir zwar mehr Verständnis, mußten aber immer wieder ausweichen - oft, ohne vorherige Benachrichtigung - wenn unser Spielraum für andere Veranstaltungen gebraucht wurde, die mehr Umsatz versprachen. Bei Pflichtspielen an Sonntagen drängten mittags Essensgäste in den Spielraum. Der Wechsel in die „Germania“ 1977 änderte wenig. Die Wirte mögen die Schachspieler allgemein nicht, weil sie zu wenig „verzehren“. Ein Wirt sagte uns: „Von den Einnahmen bei Euch kann ich nicht einmal die Lichtrechnung bezahlen.“ Die Misere wurde erst 20 Jahre später behoben, als uns die Gemeinde einen Spielraum im Vereinsjugendheim „Hintere Halde“ ab 1975 zu-nächst sonntags und 1981 dann auch freitags zur Verfügung stellte. Später ließ die Gemeinde noch einen großen Schrank für die Unterbringung unseres Spielmaterials einbauen. Dafür waren wir sehr dankbar.
In den “Sechzigern” entwickelten sich auch die geselligen Veranstaltungen zur Regel im Vereinsleben. Gemütliche Abende mit den Ehefrauen und Familienangehörigen, Herings- und Hasenessen, Kappenabende sollten den Zusammenhalt in der „Vereinsfamilie“ fördern. Höhepunkte waren unsere Jahreswanderungen und -ausflüge. Waren die Herren 1956 und 1957 bei den ersten Ausflügen nach Urach und zum „Roten Berg“ noch unter sich, so durften Frauen und Kinder ab 1959 (Schurwald) mitkommen, auch nach Markröningen (1962), auf die Alb und die Teck (1964, 1965); ins Nassachtal und nach Köngen (1966, 1967). Die recht beliebt gewordenen Ausfahrten wurden auch im nächsten Jahrzehnt fortgeführt. Es ging über den Schurwald zum Stumpenhof (1968), ins Evbachtal (1970), nach Denkendorf (1971) zum Reußenstein und nach Schopfloch (1972). Im Jubiläumsjahr 1973 wagten wir die erste Omnibusfahrt ins Hohenloher Land, eine weitere folgte zur Bärenhöhle und zum Lichtenstein (1974). 1977 besuchten wir das „Blühende Barock“ in Ludwigsburg.
Leider mußten wir nach 20 Jahren erstmals den Verlust eines Mitglieds durch den Tod beklagen. Unser beliebter und zuverlässiger Mitspieler Heinz Esser mußte uns unerwartet im Jahre 1968 für immer verlassen.
Das dritte Jahrzehnt der Vereinsgeschichte war durchzogen von Existenz-sorgen, aber auch Zukunftshoffnungen. Die Mitgliederzahl war 1970 auf 13 meist ältere Spieler geschrumpft. Allen war klar, daß wir uns nach Kräften um Nachwuchs bemühen mußten. Versuche um einen Schachunterricht in der Schule fanden keine Gegenliebe. Glücklicherweise fanden wir aber Hilfe beim Ortsjugendring. Ab 1971 konnten alljährlich gemeinsame Jugendschach-turniere des 0rtsjugendrings mit unserem Verein ausgetragen werden. Die 8 Teilnehmer 1971 konnten in eine Jugendgruppe übernommen werden. Am Turnier 1972 nahmen schon 16 Jugendliche teil, die in je einer Jugend- und Schülergruppe getrennt und in der Folgezeit von Friedrich Taxis im Café CADO und von Karlheinz Eisenhardt mit Unterstützung der Ev. Kirche im Kindergarten „zum guten Hirten“ betreut wurden. Später übernahm Jugendleiter Gerhard Maier die Betreuung der Gruppen.
In den Jahren 1975/76 nahm unsere Jugend an der Schüler-Mannschaftsmeisterschaft des Schachkreises teil, belegte aber nur den letzten Platz unter 7 Konkurrenten. Wenn auch der erhoffte große Mitgliederzuwachs ausblieb, so blieben doch immer wieder einzelne Jugendspieler dem Verein treu. Die dringend nötige Verjüngung konnte so wenigstens erfolgreich begonnen werden.
Das 25-jährige Vereinsjubiläum 1973 wurde mit einem festlichen Abend (mit Bürgermeister Ertinger und weiteren Ehrengästen) gebührend gefeiert. Es folgte ein Omnibusausflug ins Hohenloher Land. Durch glückliche Umstände konnte außerdem der bekannte Schachgroßmeister Pachmann zu einer Simultanveranstaltung im „Ochsen“ in Deizisau gewonnen werden. Auch unsere Mannschaft leistete ihren Beitrag zum Jubiläum: Nach vielen Jahren konnte wieder einmal die Vereinsmeisterschaft und der Aufstieg zur Bezirksklasse geschafft werden. Leider folgte schon 1974 wieder der Abstieg in die Kreisklasse, in der wir uns damals konstant halten konnten.
Der Jahresbeitrag wurde 1974 von 8 auf 10 DM erhöht. Die Vereinsfinanzen waren stets bescheiden, aber stabil.
Ein Ereignis löste 1974 große Begeisterung bei uns aus: Franz Escher, der aus unserem Verein hervorgegangen ist, wurde Deutscher Pokalmeister. Beim Deutschen Schachkongreß in Würzburg gewann er durch den Endspielsieg gegen Dr. Dornieden (Westfalen) den „Dähne-Pokal“, den er dann seinen Deizisauer Freunden am Spielabend im Café CADO glückstrahlend zeigte.
Das vierte Jahrzehnt der Vereinsgeschichte zeichnete sich durch Höhen und Tiefen aus. Obwohl der Spielbetrieb nach dem Umzug in die „Hintere Halde“ normalisiert und nach jahrelanger Pause wieder Vereinsmeister-schaften durchgeführt werden konnten, ging es mit unserer 1. Mannschaft bergab: Sie mußte 1981 erstmals in die A-Klasse absteigen. Zwar gelang 1982 nochmals der Wiederaufstieg in die Kreisklasse, aber nach dem erneuten Abstieg 1984 blieben wir unten in der A-Klasse. Unsere 2. Mannschaft spielte abwechselnd in der C- und D-Klasse. Zum Trost ging es im Jugendbereich voran. Unter der Führung der Jugendleiter Gerhard Maier, Gerhard Fauser und Jens Tholen beteiligten sich unsere Nachwuchsspieler an zahlreichen Turnieren. Auch das Jugendschachturnier mit dem Ortsjugendring wurde alljährlich ausgetragen.
Im organisatorischen Bereich ist die Vereinssatzung herauszustellen, die 1985 beschlossen wurde. Sie war Voraussetzung für die vom Schachverband geforderte Eintragung ins Vereinsregister. Seit 1985 sind wir also e.V.. Vorwiegend durch Verbandsvorgaben sind auch die Erhöhungen des Jahresbeitrags von 10 auf 20 DM (1982) und weiter auf 30 DM (1986) zu sehen.
Seit 1987 haben wir durch die Initiative unseres damaligen Jugendleiters Gerhard Fauser ein neues Vereinswappen, das bis heute verwendet wird.
Daß es auch ohne Schachspiel im Verein ganz nett sein kann, beweisen neben den alljährlichen “gemütlichen Abenden” besonders die Vereinsausflüge zum Hohenneuffen (1979), nach Marbach (1981), Tübingen (1982), Bad Liebenzell (1983), Heidelberg (1984), München(1985) und zur Insel Mainau (1986).
Das 40-jährige Vereinsjubiläum wurde mit einer Feier im Vereinsheim “Waldeck” festlich begangen. Das letzte Jahrzehnt begann mit einer Auszeichnung unseres 1. Vorsitzenden Karlheinz Eisenhardt, dem bei der Bürgerversammlung 1989 von Bürgermeister Schmid die Ehrennadel des Landes für Verdienste im Ehrenamt verliehen wurde. Dies bedeutet zugleich eine Anerkennung für die Arbeit unseres Vereins. Ebenfalls 1989 kam, bestens organisiert von unserem 2. Vorsitzenden Reinhold Meilke, noch unser erster zweitägiger Omnibusausflug in die “Fränkische Schweiz” zustande. Es war ein großes Erlebnis für die Teilnehmer, aber zugleich für lange Zeit unser letzter Vereinsausflug. Denn mit der Wahl von Jens Tholen zum 1. Vorsitzenden kam 1990 die lange erwartete und eigentlich auch erhoffte Übernahme der Vereinsführung durch die jüngere Generation, die allerdings mit einem Fehlschlag endete, als der neue Vorsitzende schon 1991 völlig überraschend sein Amt niederlegte und den Verein verließ.
1991 verließ also Jens Tholen den Verein, der danach für kurze Zeit führungslos war. Eine außerordentliche Hauptversammlung musste über den Fortgang des Vereins entscheiden; ein neuer Vorsitzender oder die Auflösung des Vereins. Gerhard Maier erklärte sich bereit die Amtsgeschäfte weiterzuführen. Ein Jahr später, 1992, hob er den 16jährigen Sven Noppes als Schriftführer und Pressewart in den Vorstand. Ein Jahr später wurde dieser zum 2. Vorsitzenden gewählt. Unter dem Führungsduo Maier/ Noppes wurde dem Verein ein neues Gesicht gegeben. Weitere jüngere Spieler fanden den Weg in den Vorstand. Wir spielten wieder Kreisklasse, bezahlten 40 DM Mitgliedsbeitrag, und 1995 veranstalteten die Schachfreunde ihr erstes Schnellschach-open mit internationaler Beteiligung und beginnen damit eine ganz neue Ära.“